Ergänzungsantrag zur Stellungnahme der Stadt Lünen auf Erteilung der 6. Teilgenehmigung des Trianel-Kohlekraftwerkes

Antrag von B'90/Die Grünen Der Ausschuss für Stadtentwicklung ergänzt die Stellungnahme der Stadt Lünen wie folgt: Die Stadt Lünen beantragt, die bislang vorgelegten Unterlagen zu ergänzen und den bislang nicht vorgelegten Nachweis zu führen, dass durch den geplanten Bau des Kohlekraftwerks die einschlägigen Grenz- und Vorsorgewerte für die mensch­liche Gesundheit eingehalten werden sowie negative Auswirkungen auf die Umwelt ausgeschlossen sind. Der für den 14.02.2011 vorgesehene Erörterungs­termin ist solange auszusetzen, bis dass die oben genannten Bedingungen erfüllt sind.

07.02.11 –

Begründung

Die bislang vorliegende Stellungnahme der Stadt bezieht sich im Wesentlichen auf die Durchführung eines Monitoring-Programms, welches ohnehin Teil der bislang erteilten Genehmigungen ist (siehe u.a. RN 04.02.2011).

 

Die Mehrheit im Rat der Stadt Lünen ist in der Vergangenheit bei seinen Beschlüssen zum Bau des Kraftwerks davon ausgegangen, dass

  1. das Kraftwerk den gesetzlichen Anforderungen entspricht,
  2. die gesetzlichen Anforderungen und die Genehmigungspraxis den Schutz der Gesundheit der Lüner Bevölkerung ebenso sicherstellen, wie
  3. den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

 

Die nun mittlerweile im Rahmen der 6. Teilgenehmigung vorgelegten Unterlagen lassen nicht erkennen, dass die vorgenannten Bindungen erfüllt sind! Es ist notwendig, dass der Rat der Stadt Lünen eine Neubewertung des Kraftwerksvorhabens vornimmt.

 

ALLE nun vorgelegten Gut­achten kommen einhellig zu dem Schluss, dass in Lünen und Umgebung an mehreren Stellen bereits hohe Vor­belastungen vorliegen, z.T. nachweislich sogar seit VIELEN Jahren! Wenn man die erfassten Staub­nieder­schlags­messwerte des LANUV aus dem Bereich Stadthafen/ Buchenberg hinzunimmt, ist festzustellen, dass die Vorbelastung mit Schwer­metallen (Staub­nieder­schlag) und Stickstoff (insb. Cappenberger Wälder) in Lünen und Umgebung an zahlreichen Stellen bereits erheblich zu hoch ist.

Beispielhaft stehen die Ergebnisse der Vorbelastungs­messungen von Müller-BBM auf dem Wohngrundstück einer Familie in der Nähe des Kraftwerksstandortes (Tabelle 6 auf der Seite 18). Der Jahres­mittel­wert für Blei liegt am MP 1 mit 186 µg/(m²*d) fast DOPPELT so hoch wie der in der Tabelle 6 der TA Luft 2002 fest­gelegte Immissionswert von 100 µg/(m²*d). Der Jahres­mittel­wert für Nickel liegt am MP 1 ZEHNFACH über dem in der Tabelle 6 der TA Luft 2002 festgelegten Immissionswert von 15 µg/(m²*d). Die Einzelwerte für Nickel befinden sich in der Tabelle 13 auf der Seite 21. Am besagten MP 1 liegen die mit Abstand höchsten Kon­zen­tra­tio­nen. Der Spitzenwert wurde im April 2010 mit 437 µg/(m²*d) ermittelt 437/15 = 29,13, was einer Erhöhung um fast das DREISSIG­FACHE entspricht. Schlimm sieht es auch für Blei am MP 1 aus: Der Spitzenwert ist 448 µg/(m²*d), was einer Erhöhung um das 4,5-Fache entspricht.

 

Nur über rechtlich umstrittene Irrelevanz­regelungen trotz bereits überschrittener Grenz-, Ziel- oder Vorsorge­werte soll eine Genehmigungs­fähigkeit erreicht werden. Die Argu­menta­tions­linie der Antrag­stellerin TRIANEL: „Die Zusatz­belastungen durch unser Kraftwerk sind so klein, dass sie gegenüber der Vorbelastung nicht mehr ins Gewicht fallen.“ wird vom Rat der Stadt Lünen zurückgewiesen. Es ist sachfremd und zynisch, die bestehende Vorbelastung zum Maßstab für die Beurteilung zu machen, ob eine Zusatz­belastung noch unerheblich ist oder schon erheblich. Dies würde bedeuten: Immer mehr kumulierende Zusatz­belastungen erhöhen innerhalb der jeweils betrachteten Region ständig die Vorbelastung für alle nachfolgenden, zur BImSchG-Genehmigung anstehen­den Projekte, wodurch sich die Höchstgrenzen für Schadstoff­einträge ständig erhöhen.

 

Ohne einem Erörterungstermin vorzugreifen, soll an wenigen Punkten deutlich gemacht werden, dass sich die Faktenlage im Laufe des Verfahrens nachhaltig verändert hat und eine Neubewertung des Lüner Rates jetzt erforderlich wird:

 

A. Säureemissionen aus dem Kühlturm

 

Obwohl Beton­korrosion an Schornstein-Kühltürmen seit den frühen 80er Jahren des ver­gange­nen Jahrhunderts bekannt ist, hat TRIANEL, wie alle anderen Kraftwerks­betreiber in Deutsch­land auch, immer wieder versucht, die Säure­emissio­nen zu leugnen und herunter­zu­spielen. Seit einigen Jahren werden hierzu sogar gut­ach­ter­liche Stellung­nahmen heran­gezo­gen, die allerdings wesentliche Aspekte außer Betracht lassen.

Aus der jüngeren, intensiven Recherche und Diskussion ergibt sich für uns folgendes Fazit:

-    Es kann überhaupt kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Schornstein-Kühltürme chemische Reaktoren sind.

-    Es kann nicht mehr verneint werden, dass im Schornstein-Kühlturm mehrere Säuren, insbesondere Schwefel­säure, gebildet werden.

-    Schwefel­säure, Salpeter­säure und andere Säuren verbleiben nicht im Schornstein-Kühlturm, sondern werden – z.B. als säurehaltige Aerosole – auch in die Umgebung emittiert.

-    Was Beton zerfrisst, kann für Menschen (speziell deren Atemwege) und Natur nicht gesund sein!

-    Eine Betrachtung der nassen Deposi­tion ist nach TA Luft 2002 nicht vorgesehen und kann mit dem in Anhang 3 der TA Luft 2002 beschrie­be­nen Aus­breitungs­modell AUSTAL2000 nicht berechnet werden.

-    Weil im Schornstein-Kühlturm Schwefelsäure entsteht, können in der Folge auch Metall­sulfate entstehen. Bleisulfat und Queck­silber­sulfat sind in Wasser schwerlöslich und fallen außerhalb des Schornstein-Kühlturms aus. Das hat zur Folge, dass insbe­son­dere Queck­silber ein Ausbreitungs­verhalten zeigt, das durch AUSTAL2000 gar nicht berücksichtigt werden kann.


Wir räumen ein, dass auch für uns einige wesent­liche Fragen nach wie vor noch nicht abschließend geklärt sind:

(1) WELCHE chemischen Spezies entstehen neben Salpeter­säure und Schwefel­säure im Schornstein-Kühlturm sonst noch?

(2) WIEVIEL dieser Spezies incl. Säuren entstehen im Schornstein-Kühlturm pro Zeiteinheit?

(3) WIEVIEL dieser Spezies incl. Säuren werden pro Zeiteinheit emittiert?

(4) WO treffen die aus dem Schornstein-Kühlturm emittierten Säuren auf?

(5) Wie gefährlich sind die emittierten Säuren für Menschen, Tiere, Pflanzen und Gewässer insbesondere innerhalb von FFH-Gebieten?

Es ist allerdings nicht unsere Aufgabe, Antworten auf diese Fragen zu finden, sondern Antworten erwarten wir einzig und allein von der Bezirks­regierung Arnsberg und natürlich von TRIANEL.


Allein aus diesen wenigen Aspekten wird deutlich, dass die zum o.g. Verfahren eingereich­ten Unterlagen in bezug auf die zu erwartenden Emissionen unvoll­ständig und nicht beurtei­lungs­fähig sind. Die Stadt Lünen als haupt­betroffene Gemeinde muss bei der Bezirks­regierung Arnsberg bean­tragen, TRIANEL zu veranlassen, die Ausbreitung der bisher nicht betrachteten chemischen Spezies schweflige Säure, salpetrige Säure, Salpe­ter­säure und Schwefel­säure sowie Ameisen­säure (Formiat), Fluorid, Chlorid, N2O, und N2O3 und Nitro­syl­hydrogen­sulfat („Nitro­syl­schwefel­säure“) sowie schwer­lösliche Metall­sulfate kurzfristig zu berechnen oder plausibel darzulegen, dass und warum diese Spezies nach Meinung von TRIANEL gar nicht anfallen können.

 

B. Rechenmodelle zweifelhaft

 

Dass die Schwer­metall-Zusatz­belastungen bezogen auf TRIANEL-Lünen am Beur­teilungs­punkt 28 (Wälder bei Cappenberg) hoch, möglicher­weise sogar am höchsten sind, hätte man erwartet, denn der BP 28 liegt bezogen auf die Haupt­wind­richtung Südwest exakt im Lee von TRIANEL-Lünen. Warum am BP 28 die Zusatz­belastungen für Cadmium und Arsen bezogen auf E.ON-Datteln-4 allerdings jeweils um mehr als das SECHS­FACHE über den Werten für TRIANEL-Lünen liegen, allerdings nicht nachvollziehbar, denn:

1.  liegt E.ON-Datteln-4 vom BP 28 etwa 3 km weiter entfernt als TRIANEL-Lünen,

2.  liegt der BP 28 ziemlich genau östlich von E.ON-Datteln-4.

Warum am BP 28 die Zusatz­belastungen für Cadmium und Arsen bezogen auf das etwa 16 km entfernte EVONIK-Herne-5 um fast das DOPPELTE höher liegen als für TRIANEL-Lünen, obwohl das die absoluten Höchstwerte für TRIANEL-Lünen sind, ist dann völlig unver­ständ­lich. Unter­schied­liche Zusatz­belastungen der Kraft­werks­projekte wären im Grundsatz ver­ständ­lich. Aber dass die Zusatz­belastungen von TRIANEL-Lünen an fast allen Beurtei­lungs­punkten deutlich niedriger liegen als die Zusatz­belastungen von EVONIK-Herne‑5 und an ALLEN Beurteilungs­punkten ERHEBLICH niedriger liegen als die Zusatz­belastungen von E.ON-Datteln‑4 ist mehr als unglaubwürdig.

 

C. Unvollständige FFH Verträglichkeitsuntersuchung (VU)

 

Die FFH‑VU des Gutachters Grontmij beachtet nicht, dass der Wasser­körper der Lippe wesentlicher Bestand­teil der jeweiligen FFH‑Gebiete ist. In diesem Kontext sind folgende Mängel anzuführen:

 

  1. Die Stoffeinträge durch die eingeleiteten Abwässer – insbesondere der Abwasser aus der REA-Abwasser­behandlungs­anlage und der Kühlturm­abschlämmung – wurden nicht betrachtet.
  2. Der zusätzliche Eintrag durch die geplante Kläranlage von REMONDIS wurde nicht betrachtet, obwohl die Einleitung an der gleichen Stelle wie die von TRIANEL erfolgen soll.
  3. Der natürliche Zustand der Lippe richtet sich NICHT danach, welcher Fisch­besatz GEGEN­WÄRTIG vorhanden ist, sondern welcher Fisch­besatz vorhanden sein müsste, um den GUTEN Zustand der Lippe zu dokumentieren. Eine Wasser­tempe­ra­tur von 28°C ist in diesem Zusammenhang definitiv zu hoch.
  4. Sollten die Kühlturm­ab­schlämm­wasser UNBEHANDELT eingeleitet werden, ist mit dem Eintrag von Bioziden, Chemikalien und Schwer­metallen sowie Stick­stoff‑ und Schwefel­verbindungen in die Lippe zu rechnen. Diese möglichen Einträge wurden überhaupt nicht betrachtet. Die Aussagen der Grontmij-Gutachter zu den Belastun­gen an der Einleitungs­stelle sind somit unvollständig.

 

Mit freundlichen Grüßen

Eckhard Kneisel

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