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Rede zum Neujahrsempfang von Erika Roß, Fraktionssprecherin, siehe unten.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen wollen auch in diesem Jahr den Preis für Zivilcourage und überdurchschnittliches soziales Engagement verleihen. Wie in den Jahre vorher haben wir die Auswahl der Presträger nicht auf die leichte Schuler genommen und die Preisträger mit großer Sorgfalt ausgewählt.
Denn Lünen verfügte auch im Jahr 2008 über zahlreiche BürgerInnen und Initiativen die größtenteils ungeachtet von der Öffentlichkeit Ihre stille und ehrenamtliche Tätigkeit zum Wohle der Bürger dieser Stadt verrichteten. Seit meiner Nominierung zum Bürgermeisterkandidaten der Partei Bündnis 90/Die Grünen erlebe und erfahre ich meine Heimatstadt mit vollkommen neuen Augen. In allen Stadtteilen begegnen mir ungewöhnliche Menschen, die sich losgelöst vom "schnöden Mammon" für die Allgemeinheit einsetzen. Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise oder gerade wegen dieser sind Menschen mit couragiertem Engagement von unbezahlbarer großer Bedeutung für diese Stadt.
Fragt man Jugendliche in der heutigen Zeit nach ihrer liebsten Freizeitaktivität, so erhält man als Antwort nicht Sport treiben, nicht musizieren, nicht im Internet chatten, sondern an allererster Stelle steht "SICH MIT FREUNDEN TREFFEN". Möge jeder hier im Saal sich einmal selbst die Frage beantworten, was er/sie in der Jugend unternommen hat, wenn Schule, Hausaufgaben und kleinere Besorgungen erledigt waren. Ich für meinen Tel habe leidenschaftlich gerne Handball gespielt und bin in eine Jugendgruppe der evangelischen Kirche in Dortmund-Brechten gegangen. Dort war ich unter Gleichgesinnten. Die Treffen waren wichtig wie das Atmen der Luft und - die Termine für die Zusammenkünfte in der Woche, glauben Sie mir, "die waren gesetzt".
Unter dem Dach der katholischen Kirche Sankt Joseph im Ortsteil in der Geist wurde im Jahr 1993 in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche ein Jugendtreff ins Leben gerufen. Passender Weise mit dem Namen Feestyle (übersetzt Feistil, freier Stil) konnten sich Jugendliche und junge Menschen an einem festen Ort in regelmäßigen Abständen treffen und ihrem eigenen Stil entsprechend, den Jugendtreff erleben und gestalten. Nach kurzer Zeit waren die Räumlichkeiten unter dem Dach mit Dachschräge zu klein und man zog in den Keller. Ein separater eigener Eingang wurde gebaut und so erhielt man das neue Freestyle. In Eigenregie wurde geputzt, gemalert und renoviert. Materialien und Mobiliar besorgt. Notwendige Neuanschaffungen finanzierte man durch den Verkauf von Getränken und kleinen Snacks. Man war in Gänze auf sich allein gestellt, da Mittelzuweisungen Dritter in keiner Weise flossen.
Das Freestyle präsentiert sich heute als ein ungezwungener Jugendtreff, den Jugendliche Dienstags und Freitags von 18.30 bis 21 Uhr kostenlos nutzen können. Hier kann man Billard spielen, kickern, Musik hören oder einfach nur das tun, was Jugendliche auf der Rangliste ihrer Freizeitaktivitäten am liebsten machen, nämlich "Sich mit Freunden treffen".
Selbstverständlich lief und läuft im Freestyle nicht alles glatt. Dies wäre zu vermessen. Die jugendlichen Besucher des Freestyle sind im Augenblick überwiegend Russlanddeutsche und Migranten türkischer Herkunft. Gelegentlich stark alkoholisiert und gewaltbereit kommt es zu Konflikten unter den Jugendlichen und dann schlussendlich auch mit der unmittelbaren Nachbarschaft. Einige wenige Nachbarn haben ihre Telefonnummern hinterlassen, um in Notfall als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Hilfe wurde schon Mal in Anspruch genommen, da die Polizei erst eine Stunde nach einem Anruf eintraf. Seit November 2008 wird das Team des Freestyle für erst einmal ein Jahr untersützt durch eine Mitarbeiterin, die von den Wohnungsbaugesellschaften vor Ort, allen voran der Firma Evonik, bezahlt wird.
Obwohl man manchmal Angst bei den auftretenden Konflikten hatte, kam den Preisträgern niemals der Gedanke "das Handtuch zu werfen". Die Motivation weiter zu machen, kann man den Worten entnehmen: "Das wächst einem ans Herz." - Oder: "Wenn jemand Geld bekommt, ist das ein Job, als Ehrenamtlicher ist man mehr drin."
Wären die Worte des alten Jugendamtsleiters Herrn Gebauer, die er kurz nach Eröffnung des Freestyle verkündete: "Glauben Sie mir, nach zwei Jahren machen die hier den Laden dicht" eingetroffen, so wäre die Leistung das Freestyle zu führen gewöhnlich. Das Freestyle existiert jedoch noch bis heute. Die Leistung ist außergewöhnlich und dafür erhält das gesamte Team den Preis für Zivilcourage und überdurchschnittliches soziales Engagement.
In Persona sind dies: Jessica Berg (21 Jahre) aus Wethmar, Lukas Falk (16 Jahre) aus Lünen-Süd und Jan Stammer (19 Jahre) aus Lünen Mitte. Euer außergewöhnliches und überdurchnschnittliches 'Engagement in unserer Stadt verdient es gewürdigt zu werden. Ich überreiche euch heute den Preis für Zivilvourage und außerordentliches soziales Engagement des Jahres 2008.
Erika Roß, Fraktionssprecherin: Rückblick 2008 und Ausblick auf 2009
Das Jahr 2008 war ein politisch hektisches Jahr.
Zum einen überschattet immer noch durch die Auswirkungen des Sparpaketes nach Mutter und die leere Stadtkasse. Die Einsparungen im Jugendbereich haben deutlich gezeigt, dass unsere Warnungen nicht unbegründet waren. Wir sind auf einem Holzweg, wenn wir nun an das Problem ordnungspolitisch herangehen, wenn Jugendliche ohne zentrale Jugendeinrichtungen herumlungern und sich betrinken. Wenn sie sich zunehmend verlieren in Hemmungslosigkeit und randalieren, wie bei der Vofi-Fete. Hier können wir uns auch nicht herausreden, dass in sozialen Brennpunkten anderer Städte Ähnliches passiert. Wir - und insbesondere Kommunalpolitiker - müssen präventiv eine Umkehr zur bedarfsorientierten Jugendpolitik machen. Die Forderung eines SPD-Ortsvereinspolitiker in meinem Wahlkreis Alstedde danach, das wenigstens das Gelände des abgerissenen Jugendheims „ Depot „ der Jugend zurückgegeben werden soll, ist ein hilfloses Signal, den Jugendlichen wenigstens den Raum in unserem Ortsteil wieder zuzubilligen. Ein Weg aus der verfehlten Jugendpolitik ist dies allerdings nicht. Seien Sie versichert, dass wir von der verantwortlichen Koalition aus SPD und CDU mehr erwarten, als die Schaffung einer multifunktionalen Sitzecke, die kurz vor der Kommunalwahl mit großem Tam Tam eingeweiht wird.
Hektisch war das kommunalpolitische Jahr weil:
zum Verfahren der Stellenausschreibung „Beigeordneter für die Geschäftsbereiche Kultur und Sport" ein Lüner SPD-Parteifunktionär vorschnell seine Ansprüche auf den Job pressewirksam öffentlich machte. Ich muss gestehen, dass ich dahinter eine Strategie in Verbindung mit dem Bürgermeisteramt nach Stoddolick vermutete. Das war wohl doch zu hoch gegriffen. Persönliches Ärgernis kam ins Spiel als der Bewerber merkte, dass er gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen war und seine Genossen nicht hinter ihm standen. Als dann auch noch die CDU öffentlich dem Bewerber eine klare Absage erteilte, sprach man gleich von einem Skandal. Die SPD-Spitze forderte, der CDU eine Rüge zu erteilen. Zitat: ein besonders schmutziges Foul sei es gewesen, dass die CDU den SPD-Stadtverbandvorsitzenden öffentlich als nicht qualifizierten Bewerber für den Posten des 3. Beigeordneten abgestempelt habe." Einen Antrag zur Rüge habe ich im Ältestenrat nicht gesehen - hier wollte man den Koalitionspartner wohl nicht gänzlich verärgern. Spätestens hier hätte die SDP sich hinter den Bewerber stellen müssen. Tat sie aber nicht.
Der Bürgermeister erklärte dann dem Rat - als die Frage nach Schadensersatzansprüchen gegen die CDU aufkam - dass das ganze Verfahren neu gestartet werden müsse, ein Schaden sei nicht entstanden.
Durch die Neuausschreibung der Stelle und die Verlängerung des Verfahrens könne der finanzielle Schaden mit der Personalkostenersparnis aufgerechnet werden. Der Imageschaden bleibt! Das Bewerbungsverfahren wurde erneu gestartet, ein neuer Bewerber überzeugte durch Qualität und persönliche Vorstellung, nur ein blaues Auge blieb zurück: der Stadtverbandvorsitzende der SPD und sein Vize traten von ihren Ämtern zurück und offenbarten so die tiefe Zerrissenheit in der Genossenschaft.
Das alles konnte die SPD nicht gut gebrauchen. Schwindende Zustimmung im Bund und Land - durch Wahlen und Umfragen belegt - schwindende Mitgliederzahlen und mangelnde Mobilisierung in den eigenen Reihen. Etliche Parteibücher sollen auch abgegeben worden sein, als die Parteiführung quasi im Alleingang beschloss, dass Hans-Wilhelm Stodollik dieses Mal auf einem SPD-Ticket kandidiert.
Die kommunale Hinterzimmerpolitik trat dann aber in den Hintergrund angesichts der globalen Finanzkrise, dessen Auswirkungen wir auch heute noch bei weitem nicht vollständig erfasst haben. Was wir bereits erleben ist, dass unsere Lüner Sparkasse bereits mehrere Millionen Euro an die WestLB überweisen musste.
Plötzlich war der weltweite Einbruch eigentlich nur, weil zu viele zu lange glaubten, diesen Kollaps gibt es nur in der Phantasie einiger linken Spinner. Banken und Manager der Großkonzerne wollten uns lange genug weiß machen, die Spekulationsgewinne könnten grenzenlos immer weiter ansteigen. Im Welthandel ginge es immerzu aufwärts und vom Wirtschaftswachstum würden alle Menschen profitieren.
Lange hoffte man in Europa, die amerikanische Immobilienkrise und Heuschreckenplage würde Europa nicht erreichen. Man dachte erst, Florida ist weit weg. Aber in Zeiten der globalen Finanzverflechtungen war dies nicht wirklich glaubhaft.
Eines anderen wurden wir sehr schnell auch in Lünen belehrt. Wir sehen, was uns gerade mit Dawnay Day und Hertie mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passiert. Frau Thoben hat in Zusammenhang der Einberufung eines runden Tisches mit den Bürgermeistern der betroffenen Städte gesagt: das hat uns gerade noch gefehlt.
Die Bundesregierung hat beschlossen der Wirtschaftskrise mit einem umfangreichen Konjunkturpaket - unter der Belastung erheblicher Neuverschuldung nachfolgender Generationen - entgegenzuwirken. Die Stadt Lünen erhält 9,3 Mio. Euro aus dem Konjunkturpaket II. Stadtverwaltung, SPD und CDU haben bereits ihre Vorstellungen und Projekte benannt und vorgeschlagen, interfraktionelle Gespräche zu führen. Dem haben Grüne widersprochen und gefordert, eine Abstimmung der Einzelinvestitionen in den zuständigen Fachausschüssen vorzunehmen. Uns kommt es sehr darauf an, eine Abwägung zwischen ökologischen und ökonomischen Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket zu diskutieren und abzustimmen. Eine parteipolitische Profilierung sollte im Sinne der Nachhaltigkeit der Projekte - besonders mit Blick auf das Wahljahr - nicht passieren.
Der Wirtschaftskrise entgegenwirken will auch Herr Ungethüm vom Trianel-Konsortium. Anlässlich einer Handwerkermesse bei Trianel in dieser Woche verkündete er selbstbewusst „Wir sind das Konjunkturpaket". Mehr als peinlich dann zu den örtlichen Handwerksmeistern: „ irgendwo muss immer ein Geländer angeschraubt werden, oder ein Dach geflickt und die Heizung repariert werden". Er denkt doch wohl nicht allen Ernstes, dass ein Loch im Dach oder eine neue Heizung - installiert von nicht aus Lünen stammenden Unternehmen - in den nächsten 5 Jahren von der heimischen Wirtschaft schon zu flicken sind. Die Realitäten sind ernüchternd: Von 700 Arbeitern am Kesselhaus kommen 400 aus dem Ausland. Wer glaubt denn, dass dies alles Fachkräfte sind, die auf dem Lüner Arbeitsmarkt nicht zu finden wären? Der Generalunternehmer Siemens hat auch schon deutlich gemacht, dass die Aufträge an Subunternehmer vergeben werden. Die Lüner Handwerksbetriebe können sich dann leider gerne hinten in die Schlange der Sub-Sub-Unternehmer einreihen.
Unabhängig davon, dass derzeit niemand weiß, wie es mit der Wirtschaft in den nächsten Jahren weitergeht, allein der Glaube an das große Geschäft mit Kohlestrom made in Lünen bleibt unerschütterlich.
Damit Herr Ungethüm sich die Welt noch schöner reden kann muss wohl ein Pressesprecher her. Dass diesen Job jemand antritt, der bis dato selbst bis in die Kreise der Umweltbewegung einen guten Ruf hatte, ist schon eine Enttäuschung.
Ausblick auf das Jahr 2009
Wahlkampf
Schon wieder Wahlkampf? Noch ist immer noch nicht sicher, ob Bundestagswahl und Kommunalwahl auf einen Termin fallen.
Für die Kommunalwahl haben die meisten örtlichen Parteien und Wählergemeinschaften ihre Listen aufgestellt. Interessant werden die Parteiprogramme und ihre Aussagen für die Wählerinnen und Wähler werden.
Ich kann Ihnen versichern, dass Grüne in Lünen mit ihrer Liste wieder einmal gut aufgestellt sind. Die Mitgliederversammlung ist für den 24.02.2009 einberufen. Unser Bürgermeisterkandidat Ingbert Kersebohm aus eigenen Reihen der Ratsfraktion steht für Kompetenz.
Letztendlich werden die Lüner Bürgerinnen und Bürger als Wählerinnen und Wähler über neue Mehrheiten im Rat der Stadt Lünen entscheiden.
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Seit der Kraftwerksdebatte geht ein tiefer Riss durch die Ratsmehrheit aus SPD und CDU auf der einen Seite und der Bürgerschaft auf der anderen Seite. Würde man heute einen Bürgerentscheid gegen das Trianel-Kraftwerk unddie Option von Evonik einen zusätzlichen Block mit 750 Megawatt elektrischer Netto-Leistung zu bauen, zulassen, würde das Wohl das Aus für Kohlekraftwerke in Lünen bedeuten. Große Hoffnung setzen Grüne auf die eingereichte Klage der Bürgerinitiative Kontra Kohlekraftwerk über den BUND.
Lünen und seine Spitzenpolitiker sind durch ihre veraltete Energiepolitik sogar in den Fokus der europäischen Medien gelangt. Das schweizerische Fernsehen wollte neulich von unserem amtierenden Bürgermeister Hans-Wilhelm Stodollik wissen, ob der Ausstoß von 5 Mio. Tonnen CO² im neuen Trianel-Kraftwerk moralisch tragbar ist. Er antwortete dazu: „ dass alte Kraftwerke durch die neuen ersetzt werden." Leider ist nicht deutlich geworden, welches Kraftwerk denn abgeschaltet wird. Wir Grüne glauben nicht daran, dass alte Kraftwerke abgeschaltet werden, die Zeichen stehen da anders.
Bitte sehen Sie sich nun mit uns gemeinsam den Film von Knut Thamm an, der ein Interview des WDR-Fernsehens mit einer grünen Spitzenpolitikerin enthält, der inhaltlich wohl qualifizierter sein dürfte:
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