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Haushaltsrede 2024

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Ratskolleg:innen, sehr geehrte Mitarbeiter:innen der Verwaltung, insbesondere Herr Jethon als Hauptverantwortlicher des hier zu besprechenden Haus-halts, dem ich zunächst einmal meine tiefempfundene Anerkennung für die geleistete Arbeit ausdrücken möchte. Sie und Ihre Mitarbeiter:innen haben hart daran gearbeitet, einen rechtskonformen Haus-halt aufzustellen, Sie haben versucht, im Vorfeld politisch zu agieren, um die Problematik dieser (und künftiger) Haushaltsaufstellungen ins allgemeine Bewusstsein zu heben, und große Teile der Verwaltung haben sich redlich bemüht in einer sogenannten Optionsliste Konsolidierungsmöglich-keiten aufzuzeigen.

Was aber hat uns das alles am Ende gelehrt? Wir könnten diesen Haushalt verabschieden und er würde trotz einer völlig ungelösten Altschuldenproblematik und einer sich komplett in der Unwucht befindlichen Konnexität von überantworteten Aufgaben und zugebilligten Mitteln genehmigt wer-den; dank eines Bilanzierung “vorgehens“ (Schütt aus...hol rein), das uns einige Monate Luft ver-schaffen soll, in der Hoffnung auf …. Ja, worauf denn eigentlich? Wer sich die schon Jahre andauernde Diskussion um die Lösung der kommunalen Finanzen in Deutschland und NRW anschaut, kann nicht sehr viel Hoffnung haben, dass eine nachhaltige Lösung zu erwarten ist. Bestenfalls han-gelt man weiter von einem Not- zum nächsten Elendshaushalt.

Eindeutig aber ist, zu wessen Lasten dieses Nichthandeln geht. Zu Lasten der nachfolgenden Gene-rationen, denen wir heute den notwendigen sozialen Schutz, die unabdingbare Bildung und zukünf-tig einen bewohnbare Umwelt einschränken. Die Optionsliste, mit der auch Bündnis 90/Die Grünen sich intensiv auseinandergesetzt haben, macht dies erschreckend deutlich. Schon der Versuch, einen Bruchteil der mehr als 18 Millionen Defizit einzusparen, hat die Verwaltung dazu genötigt, mehr als schmerzhafte Schnitte in den Bereichen Soziales und Bildung anzusetzen. Und dass man nicht ein-mal davon abgesehen hat, den seitens der Politik ohnehin wenig ambitionierten Klima- und Um - weltschutz noch weiter zu beschneiden, macht nur eines deutlich: Eine Stadt wie Lünen hat unter den obwaltenden Umständen kaum mehr Handlungsoptionen, von Gestaltungsmöglichkeiten mag man hier gar nicht mehr sprechen.

Was also machen wir mit diesem Haushalt? Könnten wir nicht einfach sagen, wir sitzen alle im sel - ben (angeschlagenen) Boot und haken einander unter, stimmen dem Haushalt (zähneknirschend) zu? Wäre das nicht ein Akt politischer Verantwortung? Dieser Gedanke wird zumindest immer wieder an uns herangetragen. Aber was heißt hier denn Verantwortung? Wer hat denn in den letzten Jahren Verantwortung übernommen? Etwa nicht die Grünen, die immer wieder – auch mit dem Hin-weis auf die ungelöste Konnexitätsproblematik – die Zustimmung zu Haushalten verweigerten, die – je nach Konjunktur - mal mehr, mal weniger üppig mit geliehenen Geldern jonglierten? Gut, dass die Grünen hier Recht hatten, räumt ja sogar der politische Mitbewerber – zumindest off the records – mittlerweile ein. Aber trotzdem, eine Gemeinde braucht doch einen Haushalt, das Boot (siehe oben), in dem wir sitzen, muss ja über Wasser gehalten werden. Und für die dafür notwendigen Re-paraturarbeiten sollten wir doch gemeinsam die Verantwortung übernehmen.

Dauerhaft vermochten wir uns diesem Appell an die gemeinsame Verantwortung nicht zu entziehen und deshalb stimmten wir vor zwei Jahren dem Haushalt zu, mit Bauchschmerzen und „trotz all-dem“, wie der Leitgedanke meiner Rede lautete. Diese Zustimmung, habe ich damals ausgeführt, sei aber verbunden mit der Erwartung, dass die Kooperation aus SPD und CDU uns nicht nur die Verantwortung aufbürde, sondern mit uns auf Augenhöhe für die Zukunft Lünens arbeite. Ansonsten wäre die Zustimmung nämlich keine Ausdruck der Mitverantwortung, sondern lediglich der Ver-such, uns in Mithaftung zu nehmen. Wie das in der politischen Wirklichkeit aussieht, dazu einige kleine Beispiele der jüngeren Vergangenheit. Vor längerem stellten wir einen Antrag, dass Lünen ei-nem kommunalen Bündnis beiträte, das den Kommunen größeren Einfluss auf die Gewährung von Tempo-30-Zonen gewährt. In einer Art Pawlowschen Reflex` wurde dies abgelehnt; der Großteil unserer Ratskolleg:innen erkannte offensichtlich gar nicht, dass es hier nicht um die Einführung sol-cher Zonen ging, sondern darum, der Stadt, uns, erweiterte Möglichkeiten zur Gestaltung der Mobilität zu geben. Ein typisches Reiz-Reaktions-Schema griff hier: Antrag Grüne? Antwort: Nein! Heute steht ein Antrag zur Abstimmung, der mit dem Klima-Taler Bewegung in die erstarrten Klimabe-mühungen bringen möchte. Ich werde hier jetzt nicht noch einmal aufzählen, warum das ein sinn-volles Tool seien könnte. Wichtiger für uns das Verhalten unserer Mitbewerber in der letzten HFA-Sitzung, bei der plötzlich unheimlich viele Fragen an das Projekt geäußert wurden; und dass, ob-wohl man überwiegend die im Vorfeld angebotenen Informationsmöglichkeiten „geschwänzt“ hatte. Die eklatanteste Verweigerung der Kooperation auf Augenhöhe (und der Realität) aber stellt das Rede – und Denkverbot dar, dass uns CDU und SPD beim Mobilitätskonzept verordnet haben. Wir dürfen nicht mehr über Parkaumbewirtschaftung beschließen, bis – wahrscheinlich durch ein Wun-der – ausreichend Alternativen zum MIV vorhanden seien. Allen Ernstes? Während eine Kommune nach der anderen erkennt, wieviel Musik in diesem Thema ist (und ist beispielsweise ein Euro pro Tag für das Anwohnerparken unverhältnismäßig? Ist es ungerecht, wenn ein Auto, das zwei Park-plätze benötigt, auch für zwei bezahlt?), riskieren wir es lieber, dass in der Optionsliste Ausgaben in den Bereichen Soziales, Bildung und Klima gestrichen werden, statt über verursachgerechte Gebüh-ren, das Verteilen der Lasten auf die „breiten Schultern“, auch nur nachzudenken. Dogmatisch er-liegt hier die große Koalition weiter dem Irrglauben der Unverzichtbarkeit des MIV als dominieren-dem Verkehrsträger, völlig unbeeindruckt davon, dass sich die Generation Z bereits aus der ÖPNV-Wüste Lünens verabschiedet (so zuletzt 100 Zukunftsarbeitsplätze der Itemis AG in Brambauer).

Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir sind nicht so vermessen zu glauben, dass unsere Ideen und Vorschläge durchgängig angenommen werden; aber wir erwarten einen konstruktiven Dialog – im Sinne der Stadt Lünen und ihrer zukünftigen Bewohner:innen. Deshalb liegt Ihnen auch ein um-fangreicher Änderungsantrag vor, der vor allem die in der bisherigen Diskussion völlig vernachläs-sigte Einnahmenseite betrachtet: Verursachergerecht, nachhaltig, sozial ausgewogen. Vielleicht nut-zen Sie ja noch den Einstieg in die bisher verwehrte Kommunikation. Ansonsten bleibt uns nur den unvergessenen Erich Kästner zu zitieren:

Was auch immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man  euch zieht, auch noch zu trinken.

- und – in großer Verantwortlichkeit - den vorliegenden Haushalt abzulehnen.

 



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